Serbien eröffnete die Kapitel 23 und 24 im EU-Beitrittsverfahren am 18. Juli trotz der Tatsache, dass es keine Einigung mit Kroatien über das Gesetz der universellen Gerichtsbarkeit und mehreren anderen Fragen im Bezug zur kroatischen Minderheit in Serbien gab. Die kroatische Seite beharrte vor allem auf das Gesetz über die universelle Gerichtsbarkeit, die im Grunde Serbien das Recht gibt, die Menschen über Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien zu verfolgen. Als die Spannungen über die Öffnung der Kapitel verklungen waren, entstanden wieder neue. Nur wenige Tage nachdem die Kapitel geöffnet wurden, rief der kroatische Außenminister Miro Kovač Serbien auf, die Ereignisse von Oktober 1991 zu untersuchen. Damals fand ein Angriff auf die Präsidentenresidenz statt, ein Attentat auf die kroatische Staatsführung und den Präsidenten Franjo Tudjman – so wurde das Ereignis vom Außenminister bezeichnet. Laut Minister Kovač sollte, anstatt der Kriegsveteranen, Serbien die Verantwortlichen für die Durchführung der Angriffe verfolgen.

Nur wenige Tage später wurde das Urteil gegen Alojzije Stepinac, der für die Zusammenarbeit mit Nazi-Deutschland beschuldigt wurde, für nichtig erklärt, weil das Richten unter dem damaligen jugoslawischen kommunistischen Regime angeblich nicht fair war. Die Vernichtung des Urteils entzündete die Gefühle zwischen den Völkern und führte dazu, dass Funktionäre auf beiden Seiten, Protestnoten verschickten. Die Kroaten sind aber nicht die einzigen, die in der Vergangenheit leben – die mögliche Rehabilitation des verstorbenen NS-Unterstützers und ehemaligen Regierungschefs Milan Nedić sowie die Rehabilitation von Dragutin Mihajlović, der Kriegsführer der royalistischen Tschetniks Bewegung – zeigen, dass auch die Serben häufig in die Ära des Zweiten Weltkriegs zurückkehren.

Letztendlich wenn man sagen würde, dass sich die Beziehungen zwischen den Völkern weiter nicht mehr verschlechtern könnten, verschlimmern sie sich trotzdem immer wieder. Die Aufhebung des Urteils gegen Branimir Glavaš und die anderen, wegen Kriegsverbrechen gegen Zivilisten verurteilten Personen und die Verweisung des Falls an das erstinstanzliche Gericht, sowie die plötzliche Einweihung der Statue von Miro Barešić, der den jugoslawischen Botschafter in Schweden im Jahr 1971 tötete, verursachten ein diplomatisches “tug-of-war”(Tauziehen) – verknüpft mit Aussagen und Pressemitteilungen auf beiden Seiten. Wie zu erwarten, goss die jährliche Feier der Operation Sturm (Operacija Oluja) nur zusätzliches Öl ins Feuer.

Der Sommer wurde von einer großen Anzahl an Beleidigungen von jeder Seite der Donau gekennzeichnet, die bald als Kriegstreiberei in vielen Zeitungen Erwähnung fanden. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind wahrscheinlich die schlimmsten seit dem Krieg in den 1990er Jahren. Trotz der zahlreichen Anreize für die Verbesserung der Beziehungen, die in den frühen 2000er Jahren auftauchten – dank der gegenseitigen Pro-EU Bestrebungen – und die schliesslich mitunter die Grundlage für das bedeutende Treffen der kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović mit dem serbischen Premierminister Aleksandar Vučić im Jahr 2016 legten, sind die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nach wie vor fragil.

Die kroatische Präsidentin beschrieb das Treffen beispielsweise als historisch, während der serbische PM sagte, dass es ein erster Schritt in Richtung „Tauwetter in den serbisch-kroatischen Beziehungen“ wäre. Allerdings scheint es momentan so, als hätten Kroatien und Serbien mehrere Schritte zurück, in einem sehr kurzen Zeitraum nach dem historischen Treffen, gemacht.

 

Bildquelle: http://archiv.kosmo.at/news/Kroatien-und-Serben-Verhandlung-zu-Genozid-Klagen-beginnt