Ungarn als parlamentarische Republik in Zentraleuropa ist durch drastische Verfassungsänderungen, der Verletzung der europäischen Grundwerte sowie Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit immer auffallender geworden. Vor allem sein Ministerpäsident Viktor Orbán rückt durch Korruption und Intransparenz ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Nun folgt ein Einblick in die politischen Strukturen dieses Landes. [1]
Ungarn als selbstständiger Staat
Nach dem Ende der Monarchie bzw. dem Zerfall Österreich-Ungarns entwickelte sich Ungarn zum eigenständigen Staat. In der Zwischenkriegszeit erhielt es sowjetische Unterstützung, um zu einer sozialistischen Republik zu werden. Zwar versuchte ein Volksaufstand dies zu verhindern, dieser wurde aber von der Roten Armee brutal zerschlagen. Ab den 1980er Jahren – wie in den meisten mittelost- und südosteuropäischen Ländern – kam es in Ungarn im Zuge der Krise des Kommunismus zu Reformen. Das Bestreben nach einer Martkwirtschaft und eines demokratischen Systems wurde immer größer, bis 1989 die Republik Ungarn als demokratischer Staat mit eigener Verfassung etabliert wurde. [2]
Politische Zusammensetzung
Der Präsident als Staatsoberhaupt wird alle fünf Jahre vom Parlament gewählt. Er hat eine repräsentative Funktion inne, kann aber auch ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz zur Beratung schicken und hat ein Inititativrecht. Aktuell ist Katalin Novàk von der FIDESZ-Partei als Präsidentin im Amt. Das Parlament als höchste Volksvertretung verkörpert in Ungarn die Volkssouveränität. 2014 wurden die darin enthaltenen Mandate von 386 auf 199 verkleinert. Es ist zuständig für die Gesetzgebung, sowie für die Regierungskontrolle. Generell sind in Ungarn drei Parteienfamilien zu unterscheiden: konservative (wie Demokratisches Forum christlich-demokratische Volkspartei KDNP), liberale (Bund freier Demokraten = SZDSZ, Bund Junger Demokraten = FIDESZ), sozialdemokratische (Ungarische Sozialistische Partei MSZP). Die Fidesz Partei unter der Führung von Viktor Orbán hat seit 2018 die Stimmenmehrheit im Parlament und bestreitet mittlerweile seine vierte Amtszeit. Die Regierungsbildung folgt nach den Parlamentswahlen – dabei einigen sich Staatspräsident und Parlament auf einen Kandidaten für den Ministerpräsidenten. Dieser gibt grundlegende Regierungstätigkeiten vor, ist in seinem Handeln aber dem Parlament verantwortlich. Seit 2010 ist Viktor Orbán mit zehn von ihm ernannten Ministern im Amt. [3]
Rechtsstaatlichkeit & Demokratie
In Ungarn gab es in den letzten Jahren tiefgreifende Gesetzesänderungen, die Eingriffe in demokratische Institutionen, Grundrechte und die Gewaltenteilung erlaubten. Mit der Verfassungsänderung 2011 wurden nicht nur die Staatsbezeichnung in Republik Ungarn geändert, sondern auch die Befugnisse des Verfassungsgerichtshofs (kein Recht zur Überprüfung von Steuer- und Finanzgesetzen) eingeschränkt. Die starke Betonung der Nation Ungarn führte zur Exklusion von Minderheiten, die nicht mehr als Teil der Ungarischen Nation betrachtet wurden. Mit einer erneuten Änderung 2013 wurde die Wahlwerbung in privaten Medien verboten, die Opposition benachteiligt und der VfgH noch mehr in seiner Funktion eingeschränkt (kein Recht zur inhaltlichen Prüfung von Verfassungsänderungen). Außerdem wurde durch eine starke mediale Kontrolle der öffentlich-rechtliche Rundfunksender zentralisiert. [4]
Wirtschaft & internationale Beziehungen
Seit dem Ende des Kommunismus folgte die wirtschaftliche Transformation von einer Planwirtschaft zu Marktwirtschaft. Ungarn orientierte sich generell immer am Rest Europas, weshalb auch wirtschaftlich viele und enge Berührungspunkte existieren. Seit der Wirtschaftskrise befindet sich das Land auf mittlerem Schuldenniveau und kann ein Wirtschaftswachstum verzeichnen. Die Währung ist Forint, da die Regierung von Orbán stets Distanz zur Einführung des Euros hält. Ungarn ist außerdem Teil der Visegrád-Gruppe sowie des Council of the Baltic States. 1999 ist das Land der NATO beigetreten; 2004 folgte der EU-Beitritt. Konflikte gibt es mit der EU seither vor allem in Hinblick auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im Land. [5]