Aleksander Janollari
Die Spannungen im Nordkosovo haben im vergangenen Jahr erneut ihren Höhepunkt erreicht und stellen die fragile Stabilität zwischen Serbien und Kosovo in Frage. Während die internationalen Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen nach wie vor fortbestehen, scheint Nordkosovo zu einem Test für den Erfolg (oder Misserfolg) der EU-Bemühungen zu werden. Die aktuellen Entwicklungen werfen dabei nicht nur Fragen über die politische Zukunft der Region auf, sondern spiegeln auch tiefere ethnische und geopolitische Verwerfungen breiter die die Region seit Jahren prägen.
Der Nordkosovo ist aber kein neues Problem. Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Jahr 2008 bleibt die Region ein Symbol für die ungelöste Konfrontation zwischen dem serbischen Nationalstaat und dem kosovarischen Streben nach voller Souveränität. Für Serbien bedeutet dieser Verlust ein Trauma, das seine Identität und seine chauvinistischen territorialen Ambitionen berührt. Der Nordkosovo ist der letzte Hebel, den Belgrad in diesem Konflikt hat.
Von serbischer Seite wird der Norden als Kernbestandteil des nationalen Territoriums gesehen. Es ist für viele Serben nicht nur eine politische Frage, sondern auch eine kulturelle und religiöse. Diese Region, die als Wiege der serbischen Nation gilt, hat in der serbischen Geschichte einen mythischen Status, obwohl sie historisch und geografisch im Kosovo liegt. Es ist daher für die serbische Regierung innenpolitisch undenkbar, Kompromisse zu machen, ohne befürchten zu müssen, ihre Glaubwürdigkeit bei den ultranationalistischen Wählern zu verlieren. Dies hat auch der serbische Präsident Vučić erkannt und steht seitdem unter Druck, sowohl seitens seiner politischen Gegner als auch seitens der nationalistischen Basis seiner Anhänger.
Auf der anderen Seite hat die kosovarische Regierung den Nordkosovo immer als legitimen Teil ihres souveränen Staates betrachtet. Für den jugendlichen Staat ist der Nordkosovo ein Testfall, der darüber entscheidet, ob das Land als vollwertiger und souveräner Staat anerkannt wird oder nicht. Andere dagegen meinen, dass dieser Konflikt für die jüngste Republik Europas als eine Frage der Existenz gilt. Die EU hat sich zwar bemüht, den Konflikt durch Verhandlungen zu entschärfen, doch ihre Bemühungen sind oft wirkungslos. Seit 2011 versuchte die EU, den Konflikt durch Dialog zu entschärfen, allerdings mit wenig Erfolg. Abkommen wie das Brüsseler Abkommen von 2013, das den Verband serbischer Gemeinden im Kosovo etablieren sollte, oder das Washingtoner Abkommen von 2020, das wirtschaftliche Kooperation betonte, sind weitgehend gescheitert. Das Ohrid-Abkommen von 2023, das neue Hoffnungen auf eine politische Normalisierung schürte, hat bisher keine wesentlichen Fortschritte gebracht. Serbien hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es bereit ist, dieses Abkommen zu untergraben, um seine Interessen zu wahren. Brüssel mangelt es an klaren Druckmitteln, und es gibt wachsende Skepsis-Dauberer, ob die EU noch überhaupt als laubwürdiger Vermittler agieren kann. Darüber hinaus übte Brüssel im letzten Jahr häufig stärkeren Druck auf Kosovo aus, obwohl die Verhandlungen zur Normalisierung der Beziehungen von serbischer Seite untergraben wurden. In den letzten Jahren hat sich ein bedenklicher Trend abgezeichnet: Die massive Aufrüstung Serbiens, unterstützt durch Lieferungen aus Russland und China, deutet auf eine gefährliche Militarisierung hin. Während der Westen darauf vertraute, dass Serbien durch Verhandlungen friedlich integriert werden würde, stärkte Belgrad systematisch seine militärischen Kapazitäten. Moderne Waffen- und Rüstungsgüter, darunter Luftabwehrsysteme und Drohnen, wurden in großem Umfang angekauft. Diese Entwicklungen wurden vom Westen weitgehend ignoriert oder bagatellisiert, was die Gefahr eines gewaltsamen Konfliktbereichs erhöht hat. Der Westen, insbesondere die EU, hat eine ambivalente Haltung gegenüber Serbien. Einerseits gilt das Land als potenzieller EU-Beitrittskandidat, der man um jeden Preis vom Einfluss Russlands entfernen möchte, (auch wenn viele es für schwer realisierbar halten) andererseits wurde die zunehmende Militarisierung Serbiens vernachlässigt. Während man sich auf Verhandlungen konzentrierte, die oft ergebnislos verliefen, wurde Serbiens wachsende militärische Stärke kaum zum Thema gemacht. Diese Untätigkeit könnte sich meines Erachtens als fatal erweisen, da Serbien zunehmend auf seine militärischen Fähigkeiten setzt, um Druck auf den Kosovo und die internationale Gemeinschaft auszuüben.
Hinzu kommt die geopolitische Unterstützung Serbiens durch Russland, das die Spannungen im Kosovo als Mittel nutzt, um die EU und die NATO in der Region zu schwächen. Der Westen hat es versäumt, die Gefahr einer serbisch-russischen Achse im Balkan ernsthaft zu adressieren und zu bekämpfen. Diese strategische Vernachlässigung hat dazu geführt, dass der Kosovo zunehmend isoliert und Serbien gestärkt wurde. Ein markantes Beispiel für die zunehmenden Spannungen war der Konflikt um Kfz-Kennzeichen im Jahr 2021, als die kosovarische Regierung verlangte, dass serbische Fahrzeuge kosovarische Kennzeichen tragen müssen. Dies führte zu Protesten der serbischen Minderheit im Nordkosovo, die Straßen blockierte und auf Konfrontation mit der kosovarischen Polizei aus war. Die Entsendung kosovarischer Spezialeinheiten verschärfte die Situation und ließ die Region erneut an den Rand eines bewaffneten Konflikts rücken. Alarmierender war aber der vor einem Jahr stattgefundene Terroranschlag in Banjska im Jahr 2023, bei dem ein kosovarisch-albanischer Polizist getötet wurde. Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass serbische Einheiten direkt aus Südserbien involviert waren. Die Reaktion der EU auf den Terroranschlag in Banjska im Jahr 2023 war besorgt, aber sie blieb im Rahmen ihrer üblichen diplomatischen Schritte. Solche Vorfälle zeigen, wie prekär die Lage bleibt und wie leicht sie in einen offenen Krieg eskalieren könnte.
Die zunehmende Aufrüstung Serbiens, zusammen mit der schwachen und oft inkonsequenten Haltung des Westens, lässt wenig Raum für Optimismus. Anstatt echte Fortschritte zu erzielen, scheinen die Verhandlungen lediglich dazu zu dienen, Zeit zu gewinnen, während Serbien seine militärischen Fähigkeiten weiter ausbaut und Russland im Hintergrund die Fäden zieht. Eine wirklich ausgewogene Herangehensweise wäre erforderlich, um Vertrauen auf beiden Seiten zu schaffen. Das bedeutet, dass der Westen gleiche Anforderungen an Serbien und den Kosovo stellen sollte. Zum Beispiel könnte sie mehr Druck auf Serbien ausüben, um die serbischen Parallelstrukturen im Nordkosovo zu beseitigen und auf massive Aufrüstungspolitik zu verchiten, und gleichzeitig dem Kosovo klare Garantien für seine Souveränität und territoriale Integrität geben.
Die Aussichten für eine nachhaltige Lösung des Konflikts zwischen dem Kosovo und Serbien sind aber derzeit alles andere als vielversprechend. Die internationale Gemeinschaft, insbesondere die EU, steht vor einem Dilemma. Einerseits fehlt es an klaren Hebeln, um Serbien zu ernsthaften Zugeständnissen zu bewegen. Andererseits ist der Kosovo zunehmend frustriert über die einseitige Belastung, die ihm durch die EU-Gespräche und die diplomatischen Prozesse auferlegt wird. Ohne eine entschlossene und ausgewogene internationale Strategie, bleibt die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Konflikt in den kommenden Jahren erneut eskaliert. In diesem Sinne ist die größte Gefahr nicht nur eine erneute Gewalteskalation im Nordkosovo, sondern auch der dauerhafte Verlust des Vertrauens in die westlichen Vermittlungsbemühungen. Ein solches Szenario könnte den gesamten Friedensprozess auf dem Balkan beschädigen. Letztlich wird die Zukunft der Region von der Fähigkeit abhängen, die Interessen aller beteiligten Akteure, einschließlich des Kosovo, Serbiens und der internationalen Gemeinschaft, in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.