Der Oblast Kaliningrad ist eine Region Russlands, dessen Hauptstadt gleichnamig Kaliningrad heisst. Es handelt sich dabei um eine an Polen und Litauen angrenzende Exklave. Diese spezielle geographische Position entstand in Folge einer bewegten Geschichte. Vor 1945, gehörte das Gebiet zu Deutschland und wurde Königsberg genannt. Entsprechend wird dieser Name in seinem zeitlichen Kontext benutzt.
13. bis 19. Jahrhundert: Der Deutsche-Ritter-Orden und Königsberg
Der Deutsche-Ritter Orden eroberte das Gebiet im 13. Jahrhundert bei einem Kreuzzug und gründete 1254 die Stadt Königsberg (i). Dabei wurde ein Teil der baltisch-preussischen Bevölkerung vertrieben oder getötet und der andere Teil assimiliert und die Region blieb daraufhin fast 800 Jahre unter preussischer und deutscher Macht (ii).
Trotz der Krönung von Friedrich dem Ersten in Königsberg zum König in Preussen 1701, nahm die Wichtigkeit der Region im Deutschen Reich des 18. und 19. Jahrhunderts stetig wegen geringer Wirtschaftsaktivität ab (iii).
1914-1944: Königsberg als deutsche Exklave
Königsberg wurde durch die Versailler Verträge zu einer deutschen Exklave. Diese Faktenlage wurde durch deutsche Machthaber zur Propaganda genutzt, indem das Gebiet als ständig bedroht durch seine Nachbarn dargestellt wurde. Des Weiteren wurde eine Vielzahl an Monumente für Kriegshelden aufgestellt und historische Gebäude wie das Schloss des Ritter-Ordens renoviert. Dies wurde für Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer Art Nationalsymbol und für die Nachbarn zum Symbol der deutschen Aggression ihnen gegenüber (iv).
Während des Zweiten Weltkrieges startete die Offensive der deutschen Wehrmacht gegenüber der UdSSR 1941 unter anderem in Königsberg (v). Dies wurde im Rahmen der sowjetischen Propaganda zur Stärkung des Feindbildes genutzt. Ein Jahr bevor die UdSSR Kaliningrad 1944 angriff, meldetet Stalin schon Ansprüche über die Region an (vi). Daran gibt der politische Diskurs zu erkennen, dass Kaliningrad ein zentraler Schauplatz des Krieges war. Das grosse Ausmass der Zerstörung im Zentrum Königsberges durch britische Luftangriffe und durch die spätere sowjetische Besetzung widerspiegeln dies auf physischer Ebene (vii).
1945-1990: Kaliningrad in der UdSSR
Im Januar 1945 startete die Offensive der Roten Armee und die Umzingelung von Königsberg (Hoppe, 2000; Kronenfeld, 2010). Das brutale Vorgehen wurde dabei in Erzählungen wiederholt (Hoppe, 2000). Durch die Kapitulation Deutschlands am 9. April wurde Königsberg zu Kaliningrad (Hoppe, 2000). Das wurde durch die Potsdamer Abkommen bestätigt, die die Aufteilung von Ostpreussen zwischen Polen und der UdSSR besiegelten, ohne genaue Grenzen festzulegen (viii).
Die deutsche Bevölkerung wanderte in Folge dieser Geschehnisse zum grössten Teil aus und wurde nach und nach durch eine sowjetische Immigration ersetzt (ix).
Zudem wurde das Stadtbild von Kaliningrad an das sowjetische Ideal angepasst und das Gebiet wurde eine sowjetische Militärzone, zu denen Ausländer keinen Zugang hatten (x) und die lokale Bevölkerung konnte sich erst im Rahmen der Perestroika in den 1980er mit der vor-Kriegsgeschichte auseinandersetzen (xi).
1990-heute: Kaliningrad als russische Exklave
Am 1. Januar 1990 wurde Kaliningrad für internationale Touristen geöffnet, was zu vermehrtem Austausch mit dem Ausland führte (xii). Das einschneidendste Ereignis für Kaliningrad war jedoch der Fall der UdSSR. Die Region wurde dadurch zu einer russischen Exklave, die nur über Litauen, Polen und Belarus vom restlichen Russland getrennt war. Die territoriale Souveränität erlaubt Ländern Waren- und Personenflüsse auf ihrem Gebiet zu kontrollieren, was für Exklaven zu logistischen Herausforderungen führt (xiii). Der EU-Beitritt von Polen und den baltischen Staaten führte zu weiteren grenzpolitischen Diskussionen. Bis 2016 galt für Kaliningrad ein Spezialregime für Waren und Zölle, die der Region einen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichten (xiv). Entsprechend war Kaliningrad durch die Grenznähe zur EU und entsprechende Spezialregelungen, welche Produktion und Handel ermöglichten lange eine wirtschaftlich attraktive Region. Die Industrie bestand dabei hauptsächlich aus Ingenieurswesen, Metallbearbeitung und Holzstoffproduktion (xv).
Heutzutage bietet Kaliningrad strategische Vorteile. Erstens hat Russland einen wichtigen militärischen Stützpunkt dort (xvi). Zweitens liegt die Region an der Via Hanseatica, einer wichtigen Handelsroute (xvii).
Zusammenfassung
Das Gebiet von Kaliningrad gehörte bis 1945 zu Deutschland, wo es Königsberg genannt wurde. Danach war es ein Teil der Sowjetunion und wurde durch dessen Zerfall zu einer russischen Exklave. Seither prägen Grenzbedingungen die Diskussionen rund um die Region zwischen Russland und der EU.
Daten für Zeitstrahl:
1254 – Gründung von Königsberg durch den Deutschen-Ritter-Orden
1914 – Königsberg wird durch die Versailler Verträge zu einer deutschen Exklave
1945 – Königsberg wird in Folge der sowjetischen Eroberung zu Kaliningrad
1990er – Durch den Zerfall der UdSSR wird Kaliningrad zu einer russischen Exklave
2000er – Die EU-Erweiterung stellt den Oblast Kaliningrad vor neue grenzpolitische Herausforderungen
Wortzahl (ohne Tabelle und ohne Quellen): 885
Quellen:
i Zieliński, M. (2018). Kant’s Future: Debates about the Identity of Kaliningrad Oblast. Slavic Review, 77(4), S. 937-956. doi:10.1017/slr.2018.291 & Alicheva-Himy, B. (2003). Kaliningrad/Königsberg. Outre-Terre, 3(4), S. 124-148. Abgerufen unter: https://www.cairn.info/revue-outre-terre1-2003-3-page-124.htm
ii (Zieliński, 2018)
iii (Zieliński, 2018)
iv (Zieliński, 2018)
v (Zieliński, 2018) & Hoppe, R. (2000). Auf den Trümmern von Königsberg: Kaliningrad 1946-1970. (Schriftreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Band 80). R. Oldenbourg Verlag: München. Abgerufen unter: https://books.google.lv/books?hl=de&lr=&id=WxjnBQAAQBAJ&oi=fnd&pg=PT5&dq=kaliningrad+history&ots=PVZjARNn9o&sig=bSvcacVLbxQOikqTiTyrQxrzSyQ&redir_esc=y#v=onepage&q=kaliningrad%20history&f=false
vi (Hoppe, 2000)
vii (Zieliński, 2018; Hoppe, 2000; Alicheva-Himy, 2003)
viii (Hoppe 2000; Alicheva-Himy, 2003)
ix (Hoppe, 2000) & Vendina, O.i., Gritsenko, A.A., Zotova, M.V. & Zinovyev, A.S. (2021). Identity of Kaliningraders: influence of Social Beliefs on the Choice of Self-Identification. Regional Research of Russia, 11, S. 533-542. Abgerufen unter: https://link.springer.com/article/10.1134/S2079970521040195#citeas & Kronenfeld, D.T. (2010). Kaliningrad in the Twenty-First Century—Independence, Semi-Autonomy, or Continued Second-Class Citizenship? Autonomy, or Continued Second-Class Citizenship. Washington University Global Studies Law Review, 9(1), S. 153-170. Abgerufen unter: https://openscholarship.wustl.edu/cgi/viewcontent.cgi?referer=&httpsredir=1&article=1043&context=law_globalstudies
x (Alicheva-Himy, 2003)
xi (Zieliński, 2018)
xii (Alicheva-Himy, 2003)
xiii (Alicheva-Himy, 2003) & Smith, R.A. (1993). The Kaliningrad region: Applications of the civic and ethnic models of nationhood. Journal of Baltic Studies, 24(3). Abgerufen unter: https://www.tandfonline.com/doi/citedby/10.1080/01629779300000131?scroll=top&needAccess=true
xiv Sebentsov, A. & Zotova, M.V. (2013). Geography and economy of the Kaliningrad region: limitations and prospects of development. Baltic Region, 4(4), S. 81-94. Abgerufen unter: https://www.researchgate.net/publication/272770855_Geography_and_economy_of_the_Kaliningrad_region_limitations_and_prospects_of_development
xv The Editors of Encyclopaedia Britannica (n.d.). Kaliningrad. Encyclopedia Britannica. Abgerufen unter: https://www.britannica.com/place/Kaliningrad-oblast-Russia
xvi Warum ist die Ostsee-Exklave für Russland so wichtig? (2022). Der Spiegel. Abgerufen unter: https://www.spiegel.de/ausland/kaliningrad-und-der-ukraine-krieg-warum-ist-die-ostsee-enklave-fuer-russland-so-wichtig-a-f2678078-db2a-4b1d-8f82-18b7a63d2a93
xvii (Sebentsov & Zotova, 2013)
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