Giannis Mavris


Aufgrund seiner peripheren Lage an der südosteuropäischen Flanke nimmt Griechenland eine wichtige Rolle in der gesamteuropäischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur ein. Die Nähe zum konfliktträchtigen Nahen Osten und zum partiell instabilen Balkan bestimmen die nationalen Sicherheitsbedenken und absorbieren den größten Teil der dafür aufgewendeten Kapazitäten. Aus diesem Grund konzentriert sich Griechenland auf seine selbstdefinierte Rolle als regionaler Stabilitätsfaktor und nimmt eine eher bescheidene Rolle in überregionalen Kooperationen im Sicherheitssektor ein.

Die frühen Beitritte zur NATO (1952) und zur EU (1981) sind Ausdruck der festen Einbindung des Landes in die westliche Bündnisarchitektur, die trotz den traditionell guten Beziehungen zu Russland (und neuerdings zu China) nie in Frage stand. Vielmehr versucht sich Griechenland als Brückenkopf zu außereuropäischen Staaten im Bogen Russland-Kaukasus-Naher Osten-Nordafrika zu positionieren. Die diplomatischen Ambitionen haben unter der langjährigen Wirtschaftskrise gelitten, erleben unter der Regierung von SYRIZA jedoch eine Wiederbelebung. Die befürchtete Abwendung vom Westen unter der linken Regierung von Ministerpräsidenten Alexis Tsipras hat sich nicht bewahrheitet.

Eine bestimmende Rolle in der griechischen Sicherheits- und Außenpolitik spielt das Verhältnis zur benachbarten Türkei. Obwohl die zwei Staaten, die gerne als „Erbfeinde“ bezeichnet werden, eine nüchtern-pragmatische Beziehung pflegen, bestehen unter der Oberfläche weiterhin Misstrauen und Unbehagen. Der zunehmend autoritäre Kurs unter Präsident Recep Erdogan und die damit einhergehende nationalistische Agenda (Stichwort: Neo-Osmanismus) bereiten Athen zunehmend Sorgen – nicht zuletzt auch hinsichtlich Zypern. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass die Wehrpflicht strikt eingehalten und mit 140‘000 Mann eine verhältnismässig grosse Armee unterhalten wird. Als eines der wenigen Länder hielt sich Griechenland fast durchgehend an die Zielvorgabe der NATO, jährlich mindestens 2% des BIP für die Verteidigungsausgaben auszugeben. Das hat dazu geführt, dass das Land zeitweise als grösster europäischer Rüstungsimporteuer galt und trotz Wirtschaftskrise die Streitkräfte verhältnismässig wenig von den Sparmassnahmen tangiert wurden.

Eine schwierige Beziehung besteht weiter zu Mazedonien (in Griechenland nur FYROM genannt), das seinerseits unter dem Namenskonflikt mehr leidet als Griechenland. In dieser Hinsicht bestehen zwar noch weiterhin diplomatische Schwierigkeiten, die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung ist jedoch so gut wie ausgeschlossen. Athen setzt Hoffnungen in die neue Regierung von Ministerpräsidenten Zoran Zaev, der seinerseits vom konfrontativen Kurs seines Vorgängers abgerückt ist und verstärkt auf den Dialog setzt (bezeichnenderweise führte der erste Auslandsbesuch des neuen mazedonischen Aussenministers Nikola Dimitrov ihn nach Griechenland).

Auch mit Albanien bestehen gewisse Konfliktfelder, jedoch nicht wesentlicher Natur. Das Verhältnis zu Bulgarien ist gut, insbesondere seit sich Griechenland für die Aufnahme des Balkanlandes in die EU einsetzte. Mit dem „Bruderstaat“ Zypern sucht Athen Kooperationen in den Bereichen Sicherheit und Energie insbesondere mit Israel und Ägypten. Dazu kommen Griechenland die guten Beziehungen zu zahlreichen arabischen Staaten zu Gute.

Engagements aus der Region hinaus erfolgen ausschliesslich im Rahmen von UN-, NATO- und EU-Einsätzen, an denen Griechenland jeweils mit kleinen Personenzahlen partizipiert. Eine eher wichtige Rolle spielen die Kriegs- und Marineflotte, die zumeist in Patrouille- und Rettungsaktionen involviert sind. Die oft nur symbolische Teilnahme Griechenlands ist als Zeichen prinzipieller Unterstützung der westlichen Sicherheits- und Militärinitiativen zu werten. Vielmehr konzentriert sich das Land auf Aufgaben, die seinen Kapazitäten entsprechen: So beispielsweise führt Griechenland die HELBROC Battlegroup an, der auch Bulgarien, Rumänien und Zypern angehören. Dieses Engagement entspricht dem Selbstverständnis Athens, regional die politisch-militärische Führung für sich zu beanspruchen – nicht zuletzt aufgrund der zugrundeliegenden Überzeugung, dadurch Stabilität in einer fragilen Region herzustellen.

Die manchmal widersprüchlichen Signale, die in den vergangenen Jahren partiell aus Athen zu vernehmen waren, deuten zwar auf ein ideologisches Unbehagen der regierenden SYRIZA gegenüber Militärbündnissen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Griechenland weiterhin alle Entwicklungen in der westlichen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur mittragen wird, auch wenn keine entscheidenden Impulse von Athen zu erwarten sind.

 

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