Drei Mal zur Wahl antreten in kaum mehr als drei Jahren? Wenige Politiker würden sich so einer Herausforderung heutzutage freiwillig stellen. Zu groß die Chance einer politischen Trend- und Kehrtwende, zu groß die Angst vor einer Verschiebung der politischen Realitäten. Einer jedoch hat sich getraut – und es hat sich ausgezahlt/gelohnt: Aleksandar Vučić, jetziger Premierminister und baldiger Staatspräsident von Serbien. In der Wahl 2014 war er zum Premierminister gewählt worden, in der Wahl 2016 – von ihm selbst mit der Begründung vorgezogen, Serbien brauche für die nächsten vier Jahre eine stabile Regierung – wurde er im Amt bestätigt, und am 2. April 2017 gewann er die Wahl zum Staatspräsidenten, mit absoluter Mehrheit. Eine Erfolgsgeschichte!
Doch warum drängte der unbestritten mächtigste Politiker Serbiens in ein eher repräsentatives Amt? Ein Grund für Vučićs Jobwechsel war augenscheinlich die Besorgnis, ein anderer Kandidat seiner nationalpopulistischen Partei Serbische Fortschrittspartei (SNS) könnte bei den Wahlen zum Staatspräsidenten verlieren. Eine Selbstentmachtung zum Wohle seiner Partei hatte Vučić diesbezüglich jedoch mit Nichten im Sinn, das ist allen im In- und Ausland klar. Da Serbien keine Präsidialdemokratie ist, wird Vučić aller Wahrscheinlichkeit nach einen sogenannten ‚Marionettenpremier‘ einsetzen, und anstatt vom Regierungssitz die Geschicke seines Landes fortan vom Präsidentenpalast aus lenken. Für Serbien ist und bleibt er eine zentrale Figur, für den Großteil der Serben selbst, sowie als Repräsentant in der internationalen politischen Szene.
Kaum ein Politiker außer Vučić wäre momentan wohl in der Lage, sowohl wohlwollende Zustimmung von der EU und USA sowie die von Russland auf sich zu vereinen. Vučić hat es geschafft sich sowohl mit Ost als auch mit West zu verbrüdern und gut zu stellen. Einerseits verhandelt er seit 2014 mit Brüssel über einen möglichen EU-Beitritt Serbiens, andererseits achtet er Russland als wichtigen Handelspartner als auch die traditionelle serbisch-russische Allianz. Bei den Staatsbesuchen im letzten Monat gab es Ratschläge und Lob für Reformvorhaben von Angela Merkel sowie gute Wünsche, Panzer und Kampfflugzeuge von Wladimir Putin. Damit schafft Vučić den Drahtseilakt sich zwischen Ost und West zu positionieren und deren Wünsche nach Einflussnahme auf dem West-Balkan für sich zu nutzen.
Wie staatsmännisch sich Vučić auf dem internationalen politischen Parkett auch geben mag, auch seine rot-blau-weiße Weste trägt Flecken. Nicht erst seit der Wahl am Sonntag, wird dem machtbewussten Politiker ein autoritärer Führungsstil vorgeworfen. Oppositionelle Verbände und Parteien kritisieren schon seit Langem eine staatliche Kontrolle der Medien und infolgedessen eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit in Serbien. Laut Informationen der NGO Reporter ohne Grenzen werden kritische Journalisten massiv unter Druck gesetzt, staatstreue Medien hingegen umfangreich subventioniert. Sieben der größten serbischen Tageszeitungen druckten im Vorfeld der Wahl Vučićs Wahlplakat auf ihren Titelseiten – von einer unabhängigen Presse kann man also kaum sprechen. Vučićs Konkurrenten monierten zudem, dass die Wahl nur vier Wochen vorher angekündigt worden war, sodass es den oppositionellen Parteien schwerfiel, die erforderlichen 100 000 Unterschriften zur Teilnahme an der Wahl zu sammeln. Darüber hinaus gehören zwölf der siebzehn Mitglieder der staatlichen Wahlkommission Vučićs Regierung an, und das Gremium zur Wahlaufsicht war bis nach der Wahl von der Parlamentspräsidentin der Kammer beurlaubt worden. Von freien und gleichen Wahlen kann hier also keine Rede sein. Glückwünsche aus Berlin, Brüssel und Washington gab es trotzdem.
Die serbische Wahl verdeutlicht in diesem Sinne den ungebrochenen Opportunismus westlicher Staaten. Während in vielen anderen Konflikten die Verteidigung demokratischer Werte propagiert wird – wie während der Maidan Revolution 2014 in der Ukraine zum Beispiel – nimmt man es offenbar unter anderen Umständen damit nicht ganz so genau. Inmitten eines von wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit, politischer Instabilität und Flüchtlingskrise geplagten West-Balkans, ist Serbien ein zu wichtiger Partner, als dass man ihn mit Forderungen oder Mahnungen zur Einhaltung der demokratischen Grundsätze verprellen könnte. Ähnlich wie in Bulgarien – seit 2007 bereits EU-Mitglied – wird ein autoritärer Führungsstil sowie eine Einschränkung der Rede- und Meinungsfreiheit hingenommen. Etwas dagegen tun könne man ja sowieso nicht. Der Westen, insbesondere die EU sollte sich gut überlegen, ob sie bereit ist, den Preis für eine Kooperation Serbiens in der Flüchtlingskrise zu zahlen. Denn der Preis ist hoch: Unsere liberalen, demokratischen, ja vermeintlich ‚europäischen‘ Werte stehen auf dem Spiel, wenn wir nicht in der Lage sind, diese zu verteidigen, deren Missachtung sogar noch beglückwünschen, rauben wir uns selbst die Grundlagen auf die unsere Staaten und unsere Union aufgebaut sind.
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