Die ersten demokratisch-bürgerlichen Parteien, z.B. die Regierungspartei HDZ, wurden in der damaligen Teilrepublik Kroatien im Zuge der politischen und wirtschaftlichen Krise in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) 1989 gegründet. Nach der Verabschiedung der neuen Verfassung, die Parteienpluralismus garantierte, war die Zeit der Sozialistischen Republik Kroatien formal beendet. Am 25. Juni 1991 wurde im Sabor, dem kroatischen Einkammerparlament, die Unabhängigkeit verkündet. Die eingeleitete Transition wurde allerdings bis 1995 vom Kriegsgeschehen überschattet. Während dieser turbulenten Zeit und bis zum Jahre 2000 war die HDZ unter Franjo Tuđman Regierungspartei. Seitdem wechseln sich HDZ und SDP als Regierungspartei ab. Die Wahlen 2015, die ersten nach Kroatiens EU-Beitritt 2013, zogen erst Neuwahlen 2016, dann kürzlich eine Regierungsumbildung nach sich. Anhand dieser Entwicklungen lassen sich Eigenheiten des kroatischen Parteiensystems beobachten.

Traditionell formieren sich vor einer Wahl in Kroatien Wahlbündnisse. Die großen Parteien garantieren dabei den kleineren Parteien im Bündnis Listenplätze. Damit verbessern die großen Parteien ihr Wahlergebnis und die kleineren Parteien kommen an der Fünfprozenthürde vorbei. In der Regel sitzen deren Abgeordnete dann in der Fraktion des stärksten Bündnispartners. Von 151 Sitzen des Sabor sind per Gesetz drei Sitze für Kroaten_innen im Ausland sowie acht Sitze für Vertreter_innen der Minderheiten (davon drei für die serbische Minderheit) reserviert. Der Sabor wird alle vier Jahre gewählt. Die reguläre Wahl fand daher 2015 statt. Sowohl die erste (2015) als auch die zweite Regierungskoalition (2016) zwischen HDZ und MOST zerbrach nach nur wenigen Monaten. Der HDZ Regierungschef Andrej Plenković entließ alle MOST Minister_innen und konnte durch das Auswechseln seines Koalitionspartners eine dritte Parlamentswahl in weniger als zwei Jahren verhindern. Dies gelang, da die HDZ in den Lokal- und Regionalwahlen 2017, bedeutend wegen persönlicher Verflechtungen der lokalen und nationalen Politik, gegenüber ihrer politischen Konkurrenz eine dominante Stellung erlangte. Somit legitimierte sie sich weiter als Regierungspartei und sicherte sich mit dem ‚pragmatischen Flügel‘ der linksliberalen HNS, sowie wiederholt mit den Repräsentanten_innen der Minderheiten, eine knappe Regierungsmehrheit.

Die nationalkonservative HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) beurteilt die EU-Integration moderat positiv, besonders in wirtschaftlicher Hinsicht, ist dennoch leicht euroskeptisch und fürchtet durch die geforderte Anbindung an Nachbarstaaten um die kroatische Eigenstaatlichkeit. Sie geht traditionell Bündnisse mit rechten Parteien ein und positioniert rechte Politiker_innen auf ihrer Wahlliste. Plenković, seit 2015 Parteivorsitzender und seit 2013 EU-Parlament Abgeordneter der Europäischen Volkspartei gilt als EU-freundlich. Er ging 2016 keine rechten Wahlbündnisse ein, was einen moderaten Kurs erahnen ließ und zeigt sich sehr kompromissbereit.  Durch die Koalition mit der HNS präsentiert er als sein oberstes Ziel politische Stabilität zur Erreichung der dringend benötigten wirtschaftlichen Stabilität. Dennoch wird ihm vorgeworfen, sich nicht gegen die regressive und ultra-rechte Ideen innerhalb der HDZ und deren Bündnispartnern zu behaupten.

Die erst 2012 gegründete Partei MOST (Brücke) wurde 2015 und 2016 auf Anhieb drittstärkste Partei. Sie präsentiert sich als reformistisch, Anti-Establishment und als ‚dritte Wahl‘. Auf lokal-regionaler Ebene schenkten die Wähler_innen MOST und Živi Zid (lebende Wand), den selbsterklärten Parteien neuer Prägung, kein Vertrauen. Letztere ist aus einer Occupy-Bewegung 2011 entstanden. Sie ist Anti-EU / -NATO und generell Anti-Establishment. Sie wurde bei den Parlamentswahlen vierstärkste Kraft und ihr Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen 2014 Dritter[1].

Die sozial-liberale SDP, Nachfolgepartei der Reformkommunisten der SFRJ, beurteilt eine umfassende europäische Integration als langfristig beste und einzig relevante Perspektive für Kroatien. Sie wird trotz Anpassungsschwierigkeiten sowie gegen unentschlossene und regressive nationale Parteien verfolgt. Sie bildete das Wahlbündnis „Volkskoalition“ mit der HNS (Kroatische Volkspartei), der Rentnerpartei HSU sowie der Bauernpartei HSS, welche 2015 noch Teil der ‚Patriotischen Koalition‘ der HDZ war. Gerade in lokal-regionalen Wahlen sind regionale Parteien wie die IDS (Istrien; SDP nah) oder die HDSSB (Slawonien / Baranja, HDZ nah) bedeutend.

 

Quellen

Beischl, Martin. Die Europapolitik kroatischer Parteien. Leitbilder, Prioritäten, Entwicklungsperspektiven. Harassowitz Verlag. Wiesbaden 2014.

Kušić, Siniša. Kroatiens Weg in die EU. In: APuZ. Kroatien. 17/2013. Print. Bundezentrale für Politische Bildung

Sundhaussen, Holm. Der Zerfall Jugoslawiens und dessen Folgen. In: APuZ. EU – Balkan. 32/2008. Print. Bundezentrale für Politische Bildung

Steindorff, Ludwig. Ein kurzer Gang durch die Geschichte Kroatiens. In: APuZ. Kroatien. 17/2013. Print. Bundezentrale für Politische Bildung

Zakošek, Nenad et al. Blickpunkt Kroatien. Aktuelle Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. 31/2017. Online. Friedrich-Ebert-Stiftung Regionalbüro Zagreb

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kroatien-node/kroatien/210060

http://www.balkaninsight.com/en/article/key-parties-and-coalitions-in-croatia-09-01-2016

http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/233577/parlamentswahl-in-kroatien

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/kroatien-wahl-neue-partei-wird-zum-koenigsmacher-13901396.html

[1] Zum Staatsoberhaupt gewählt wurde die aktuelle Staatspräsidentin Kolinda Grabar- Kitarović.

Bild: http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/800940