Rumänien kann eine gewisse Sonderrolle in der sozialistischen Zeit zugeschrieben werden. Eine derartige außenpolitische und ökonomische Autarkie, verbunden mit einem aufgebauten Personenkult um den Diktator Nicolae Ceausescu, erschuf ein historisches Laster, welches sich auch auf den Demokratiesierungsprozess auswirkte.
Nach dem revolutionären Staatsstreich am 22. Dezember 1989 übernahm zunächst der sogenannte Rat der Front der Nationalen Einheit die Führung und erließ ein Wahlgesetz, welches große Teile der späteren Verfassung bereits bestimmte. Nach der Ausarbeitung einer Verfassung durch die verfassungsgebende Versammlung wurde sie von dergleichen verabschiedet und im Dezember 1991 per Referendum von der Bevölkerung zugestimmt.
Die Republik Rumänien ist seither durch ein semi-präsidentielles System mit einem Zweikammer-Parlament gekennzeichnet. Jedoch ist eine klare Zuteilung der Regierungsform zu einem semi-präsidentiellen System, wie es klassisch nach der Fünften Republik Frankreichs definiert ist, nicht möglich. Durch einige Machteinschnitte des Präsidentenamts kann das System viel mehr als ein abgeschwächtes semi-präsidentielles System oder parlamentarisch-präsidentielles System verstanden werden.
Einige Teile der Verfassung sind mit einer Ewigkeitsklausel versehen und die Hürden zu einer Verfassungsänderung bei allen anderen Bereichen sind relativ hoch. Zu einer Reform der Verfassung kam es dann aber bereits 2003. Erst seit dieser reformierten Form wird die Gewaltenteilung auch explizit in der Verfassung erwähnt (Artikel 1, Absatz 4). Die meisten anderen Änderungen drehten sich um die Vorbereitung zum EU-Beitritt (bspw. Wahlrecht in das Europäische Parlament). Unverändert blieb jedoch Artikel 44, Abs. 8, welcher stets für Diskussionen auch über die rumänischen Grenzen hinaus sorgt: „Legal erworbenes Vermögen darf nicht eingezogen werden. Die Legalität des Erwerbs wird unterstellt.“ Eine fragwürdige Ausgestaltung des Artikels, insbesondere in einem von alltäglicher Korruption betroffenen Staat.
Die zwei Kammern des Parlaments sind der Senat und das Abgeordnetenhaus (Artikel 61, Absatz 2). Parlamentarier aus beiden Kammern werden durch die rumänische Bevölkerung für 4 Jahre gewählt (Artikel 63, Absatz 1). Eine Besonderheit des rumänischen Parlaments ist, dass jede Minderheit der rumänischen Bevölkerung eine(n) Abgeordnete(n) in das Parlament schicken kann, auch wenn diese(r) keinen Wahlerfolg erzielte.
Die Exekutive besteht aus Staatspräsident und der Regierung mit ihrem Premierminister. Der Staatspräsident soll in seinem Amt politisch neutral agieren – von einer gewissen Parteinähe zu seiner ehemaligen Partei kann jedoch durchaus ausgegangen werden. Mit einer 2/3-Mehrheit im Parlament kann ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatspräsidenten eingeleitet werden (Impeachment; Artikel 96). Eine Möglichkeit, welche nicht selten in Rumänien als politisches Kalkül und Drohpotential genutzt wird. Anders als beim Parlament wird der Staatspräsident für eine Amtszeit von 5 Jahren gewählt (Artikel 83, Absatz 1). Die unterschiedlichen Legislaturperioden von Staatspräsident und Premierminister können dazu führen, dass beide unterschiedlicher Parteien angehören bzw. der Präsident ursprünglich der Opposition des Premierministers angehörte (sog. Cohabitation). Eine solche Konstellation kann zu gegenseitigen Blockaden, schwachen Reformfortschritten und letztendlich einer ineffektiven Politik führen.
Eine Schwachstelle beim Verfassungsgericht, welches ansonsten mit einer starken Stellung interpretiert werden kann, ist die Ernennung der Richter. Das Verfassungsgericht besteht aus 9 Richtern und je 3 werden von Abgeordnetenhaus, Senat und Präsident ernannt. Bedenke man eine Situation, in der eine Partei in beiden Kammern die Mehrheit hält und der Präsident ursprünglich ebenfalls aus dieser Partei stammt, kann die Unabhängigkeit der Justiz ihre Grenzen verschieben.
Das Parteiensystem Rumäniens veränderte sich, wie in den meisten MOSO-Staaten, seit dem Beginn der Transformation ständig. Parteien, welche über mehrere Wahlperioden eine große Anzahl der Bevölkerung vertrat, verschwanden aus dem Parlament (PRM: Großrumänien Partei), gleichzeitig entstanden neue (USR: Union Rettet Rumänien; ALDE: Allianz der Liberalen und Demokraten). Häufig spalteten sich auch Personen einer Partei ab, um wiederum eine neue Partei mit Fusionsambitionen zu gründen. Ein Hindernis für kleinere Parteien in das Parlament zu ziehen, stellt jedoch die Sperrminorität dar, welche bei 5 % liegt und sich für Koalitionen erhöht. Diese 5 % Hürde wurde in den letzten Wahlperioden immer wieder von der ungarischen Minderheitenpartei (UDMR) erreicht, was die bedeutende Rolle der ungarischen Minderheit in Rumänien wiederspiegelt. Die zwei Parteien mit dem größten Anteil der Stimmen sind aktuell die Sozialdemokratische Partei (PSD), welche ihren Ursprung in der Front der Nationalen Einheit hat, und die Nationalliberale Partei (PNL). Aktueller Staatspräsident ist Klaus Iohannis, welcher aus der PNL stammt. Er steht einem Parlament mit PSD-Mehrheit gegenüber (Cohabitation).
Quellen:
Deutsch-Rumänisches Forum: https://derufo.com/rumanien/politisches-system/
Gabanyi; A. U. (2010): Das politische System Rumäniens. In: Wolfgang Ismayr (Hrsg.): Die politischen Systeme Osteuropas. 3. Aufl. Opladen, S. 627-676.
Göllner, R. T. (2014): Die Verfassungsentwicklung in Rumänien nach 1990. In: Ellen Bos, Kálmán Pócza (Hrsg.): Verfassungsgebung in konsolidierten Demokratien. Neubeginn oder Verfall eines politischen Systems? Baden-Baden 2014, S. 175-191.
Rumänisches Abgeordnetenhaus online: http://www.cdep.ro/pls/dic/site.page?den=act2_2&par1=2#t2c2s0sba44
Spiegel online: http://www.spiegel.de/politik/ausland/parlamentswahl-sozialdemokraten-gewinnen-in-rumaenien-a-1125430.html
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