Zum ersten August trat der ehemalige deutsche Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt das Amt als Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina an. Die Spannungen um unterschiedliche Geschichtsnarrative innerhalb des Landes bereiten ihm enorme Startschwierigkeiten.
Das Amt des Hohen Repräsentanten wurde im Abkommen von Dayton im Jahr 1995, welches den Frieden im Bosnienkrieg offiziell besiegelt hat, geschaffen. Der Posten umfasst weitreichende Kompetenzen: Der Amtsinhaber verfügt über die Vollmachten, Gesetze zu erlassen oder zu annullieren, bestehende Amtsträger zu entlassen und steht damit noch über Parlament und Regierung des Landes.
Der Amtsantritt Schmidts erfolgte unter nicht idealen Bedingungen. Russland zweifelt die Legitimität seiner Ernennung als Hoher Repräsentant an und der Führer der bosnisch-serbischen Partei in BiH, Milorad Dodik, steht einer künftigen Zusammenarbeit zunächst verschlossen gegenüber. Befeuert wurde die brisante Lage noch durch die Kontroverse um eine Gesetzesänderung im Lande. Diese wurde von dem kürzlich aus dem Amt geschiedenen ehemaligen Hohen Repräsentanten Valentin Inzko als letzter Akt in diesem Posten veranlasst. Der Gesetzesänderung zufolge soll das Leugnen des Srebrenica-Völkermords sowie allgemein von Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt werden. Dies sorgte gerade auf Seite der bosnischen Serben unter Dodik in der Teilrepublik Republika Srpska für Aufruhr.
Doch Schmidt stellt sich dezidiert hinter das Vorhaben seines Vorgängers, weist aber darauf hin, dass es nicht genügt, lediglich am Gesetz etwas zu ändern. Er möchte vielmehr die ethnischen Narrative entlarven und sich auf diese Art aber für alle Seiten gleichermaßen stark machen, für Bosniaken, Serben, Kroaten und auch kleinere Interessensgruppen wie Juden und andere Minderheiten. Er sieht sich als Hüter der territorialen Integrität der Westbalkanstaaten und erteilt somit der kontroversen Idee der Gebietsverschiebungen eine klare Absage.
Zu seinen weiteren Plänen als Hoher Repräsentant von BiH äußert sich Schmidt mit seinem Amtsantritt nun auch. So möchte er beispielsweise das komplexe politische Verwaltungssystem verbessern. Der Staat hat zwar weniger Einwohner als Berlin, welche jedoch von über 130 Ministerien regiert werden. Chaos bezüglich der Zuständigkeiten ist vorprogrammiert, Korruption leicht ermöglicht und die Kosten dieser Posten des breiten politischen Apparats enorm hoch.
Auch der Braindrain, die Abwanderung gerade der Jugend, stellt eines seiner Kernthemen dar. Circa 70% der bosnischen Jugendlichen verlässt das Land, um sich anderswo eine Zukunft aufzubauen. Durch eine Verbesserung der heimischen Arbeitsmarktsituation möchte Schmidt dies künftig unterbinden.
Jedoch bleibt sein größtes Ziel, das eigene Amt langfristig abzuschaffen. Im besten Falle, so Schmidt, sei er der letzte Hohe Repräsentant von Bosnien und Herzegowina, wenn die Standards einer funktionierenden Demokratie und sichere, feste Grenzen am Ende seiner Amtszeit gewährleistet sind. Den Weg, um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, sieht Christian Schmidt in der Schritt für Schritt erfolgenden Annährung und engeren Orientierung an der EU, auf welche schlussendlich der Beitritt des Balkanstaats folgen soll. Da EU-Beitrittsgespräche schon bis hin zu deren Aufnahme Jahre andauern können, setzt Schmidt vorerst auf die Errichtung eines südosteuropäischen Wirtschaftsraums unter Mitwirken der USA und der EU.
So sind die Ambitionen des neuen Hohen Repräsentanten trotz seines anfänglichen misslichen Starts hochangesetzt. Ein EU-Beitritt von Bosnien und Herzegowina innerhalb der nächsten Jahre scheint fraglich, das Beenden der Jugendabwanderung herausfordernd. Es ist also nicht gesagt, dass Schmidt während seiner Amtszeit als Hoher Repräsentant diese Ziele allesamt erreichen wird. Doch ist er in seiner Mischung aus Klartextredner mit hohem diplomatischem Geschick jedoch auf den ersten Blick sicherlich keine Fehlbesetzung dieses wichtigen Postens, von dem er selbst tunlichst hofft, dass es ihn nicht mehr allzu lange geben wird.
Quellen:
Bildquelle:
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/bosnien-herzegowina-schmidt-101.html
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