Aleksander Janollari


 

1. Die Städtisch-Ländliche Kluft in Albanien

Albanien, ein Land mit einer wechselvollen Geschichte und sich rasch entwickelnden politischen Strukturen, weist eine signifikante Kluft zwischen seinen städtischen und ländlichen Gebieten auf. Diese Kluft spiegelt sich nicht nur in den politischen Präferenzen wider, sondern auch in den sozialen Anliegen und ökonomischen Bedingungen, die das Leben in den beiden Regionen beeinflussen. Während städtische Gebiete wie Tirana, Durrës, Fier und Shkodër sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt haben, hinken viele ländliche Regionen in Bezug auf Infrastruktur, Wirtschaft und Bildung hinterher. Diese Ungleichheiten haben weitreichende politische und gesellschaftliche Implikationen.
Die ökonomischen Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sind ein wesentlicher Faktor, der die politischen Präferenzen in Albanien beeinflusst. Städte wie Tirana haben von ausländischen Investitionen und der allmählichen Modernisierung profitiert, was zu einem relativen wirtschaftlichen Wachstum geführt hat. Die Urbanisierung hat in städtischen Gebieten bessere Arbeitsmöglichkeiten, den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie eine bessere Infrastruktur gebracht. Dies führt dazu, dass städtische Gebiete sich progressiveren sozialen Anliegen zuwenden. In den ländlichen Gebieten hingegen sind Arbeitslosigkeit, Armut und Abwanderung große Herausforderungen. Viele ländliche Regionen hängen nach wie vor stark von der Landwirtschaft ab, die oft ineffizient durchgeführt und wenig profitabel ist. Die Menschen auf dem Land fühlen sich von der wirtschaftlichen Entwicklung der Städte mehr und mehr abgehängt, was zu Ressentiments gegenüber den politischen Eliten führt.

Laut einem Bericht der Weltbank beträgt die Armutsquote in ländlichen Gebieten fast das Doppelte im Vergleich zu städtischen Regionen. Die ländliche Bevölkerung steht häufig vor Herausforderungen wie unzureichender Gesundheitsversorgung, schlechter Infrastruktur und begrenztem Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Während Städte von Investitionen in Infrastruktur und einem wachsenden Dienstleistungssektor profitieren, kämpfen ländliche Gemeinden mit einer stagnierenden Landwirtschaft und einem Mangel an Arbeitsplätzen und in den letzten 10 Jahren einer alarmierenden massiven Migration. Dies führt dazu, dass viele junge Menschen in die Städte oder ins Ausland abwandern, auf der Suche nach besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen. Tirana hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine starke Urbanisierung erlebt, was zu einem boomenden Immobiliensektor und einer wachsenden Dienstleistungswirtschaft geführt hat. Diese Entwicklung ging jedoch oft auf Kosten der ländlichen Gebiete, die mit einem Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und dem Abzug von Arbeitskräften zu kämpfen haben. Dieser Urbanisierungstrend hat auch politische Implikationen. Junge Menschen, die in die Städte ziehen, tendieren dazu, pro-europäische Parteien (wenn man die politischen Parteien Albaniens überhaupt als pro-europöisch bezeichnen kann) zu unterstützen, da sie sich mehr Chancen durch EU-Integration und wirtschaftliche Modernisierung erhoffen. Auf dem Land hingegen fühlen sich viele Menschen von dieser Entwicklung abgekoppelt, was zu einem wachsenden Misstrauen gegenüber der Regierung führt.

Bildung ist ein weiterer wichtiger Faktor, der zur städtisch-ländlichen Kluft beiträgt. Laut einem Bericht des albanischen Instituts für Statistik (INSTAT) ist der Zugang zu höherer Bildung in städtischen Gebieten weitaus besser als in ländlichen Regionen. Dies hat zur Folge, dass in städtischen Gebieten zum Teil liberale und progressive politische Ideen Anklang finden, während in ländlichen Regionen traditionelle und konservative Ansichten vorherrschen. Ein weiteres soziales Anliegen, das die Kluft verstärkt, ist der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Infrastruktur. Viele ländliche Gebiete haben immer noch mit schlechter Straßenanbindung, unzureichender Gesundheitsversorgung und fehlender öffentlicher Dienstleistungen zu kämpfen. Diese Faktoren führen dazu, dass ländliche Wähler von der Regierung Unterstützung für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen erwarten.

Die Kluft zwischen Stadt und Land wird in Albanien besonders deutlich bei nationalen Wahlen. Ländliche Gebiete vor allem in Nordalbanien, aber auch in den abgelegeneren südlichen Regionen, unterstützen häufiger die konservativeren Parteien, insbesondere die Demokratische Partei Albaniens (PD). Diese Partei hat historisch von den ländlichen Wählerschichten profitiert, die sich von den städtischen Eliten und der Politik der Regierung vernachlässigt fühlen. Diese Regionen haben eine stärkere Bindung an traditionelle Werte, und die Landwirtschaft bleibt eine wichtige wirtschaftliche Grundlage, obwohl sie zunehmend unter Druck steht. In städtischen Gebieten herrscht allgemein eine Balance zwischen den Wählern der beiden großen Parteien (Sozialistische Partei und Demokratische Partei). Urbane Wähler im Süden unterstützen mehrheitlich die Sozialistische Partei (das hängt auch mit historisch-politischen Faktoren zusammen: Hier ist die Sozialistische Partei (SP) aufgrund ihrer historischen Verbindungen zur ehemaligen Kommunistischen Partei und ihrer stärkeren urbanen Wählerbasis dominanter. Diese Unterschiede in der Parteipolitik spiegeln nicht nur regionale Identitäten wider, sondern auch die unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, die das Wählerverhalten beeinflussen.). Im Norden dagegen unterstüzt die Bevölkerung überwiegend die Demokratische Partei, obwohl in den letzten Jahren die Sozialistische Partei im Norden viele Anhänger gewonnen hat. Der Norden Albaniens hat eine lange Geschichte des Widerstands gegen verschiedene Regierungen und politische Systeme. In der Zeit der kommunistischen Herrschaft war der Norden oft ein Zentrum des Widerstands gegen die Zentralregierung in Tirana, die als städtisch und elitär wahrgenommen wurde. Diese historische Erfahrung hat zu einer tief verwurzelten politischen Identität geführt, die sich häufig in einer Vorliebe für die DP niederschlägt.

 

2. Die Städtisch-Ländliche Kluft im Kosovo

Die städtisch-ländliche Kluft im Kosovo ist ein bedeutendes Phänomen, das sich stark auf die politischen Präferenzen und sozialen Anliegen der Bevölkerung auswirkt. In urbanen Gebieten wie Pristina, Ferizaj und Mitrovica ist eine pro-europäische und progressiv ausgerichtete politische Stimmung vorherrschend, die sich hauptsächlich in der Unterstützung für Parteien wie die „Bewegung für Selbstbestimmung“ (Vetëvendosje) und die Kosovo-Sozialdemokratische Partei (PSD) niederschlägt. Sie, besonders Vetëvendosje, setzen sich für Reformen, Korruptionsbekämpfung, die Integration in europäische Institutionen ein und den Schutz der Souveränität des Landes. Die Wähler in diesen städtischen Regionen sind oft jünger, besser gebildet und offener für neue Ideen, was sich in ihrer politischen Mobilisierung und ihrem Engagement widerspiegelt.

Im Gegensatz dazu tendieren ländliche Gebiete, insbesondere im Süden und Osten des Landes, dazu, konservative und nationalistische Parteien wie die Demokratische Partei des Kosovo (PDK) und die Allianza für die Zukunft des Kosovo (AAK) zu unterstützen. Diese Parteien betonen nationale Identität, Tradition und Sicherheit, was in ländlichen Gemeinschaften auf Resonanz stößt.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Kosovo verstärken diese Kluft erheblich. Während die Städte ein gewisses Maß an wirtschaftlichem Wachstum und Entwicklung erleben, kämpfen viele ländliche Regionen mit strukturellen Problemen wie hoher Arbeitslosigkeit, Armut und unzureichender Infrastruktur. Eine Erhebung des Kosovo-Statistikamts zeigt, dass ländliche Haushalte über signifikant niedrigere Einkommen verfügen und oft unter den Bedingungen von eingeschränktem Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen leiden. Dieses wirtschaftliche Ungleichgewicht fördert das Gefühl der Isolation in ländlichen Gebieten, wo die Bevölkerung häufig das Gefühl hat, dass ihre Anliegen nicht in den politischen Diskurs einfließen. Im städtischen Raum hingegen sind die Menschen oft besser vernetzt, was zu einer aktiveren Teilnahme am politischen Leben und zu einer stärkeren Vertretung ihrer Interessen führt. Ein weiterer wichtiger Aspekt der städtisch-ländlichen Kluft im Kosovo ist der Zugang zu Bildung. Während städtische Gebiete über eine größere Anzahl von Bildungseinrichtungen und beruflichen Weiterbildungsmöglichkeiten verfügen, haben ländliche Regionen oft mit einem Mangel an qualitativ hochwertiger Bildung zu kämpfen. Dieser Bildungsunterschied führt zu einer geringeren Mobilität der ländlichen Bevölkerung und einem Abfluss junger Talente in die Städte, was die soziale und wirtschaftliche Kluft weiter verstärkt. Diese Dynamik ist besonders besorgniserregend, da die Jugend als treibende Kraft für den politischen und sozialen Wandel angesehen wird.

Zusätzlich spielen kulturelle Faktoren eine wesentliche Rolle in der politischen Landschaft des Kosovo. Ländliche Gemeinden sind oft konservativer und halten an traditionellen Normen fest, was sich in einer Ablehnung gegenüber neuen Ideen und sozialen Bewegungen äußern kann. In urbanen Zentren hingegen ist eine größere Vielfalt an Lebensstilen und Ansichten zu finden, was manchmal zu einer progressiveren politischen Kultur beiträgt

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